(07.10.2025) In einem Kunstworkshop unter der Leitung von Julia Schabrod (durchgeführt von „BauKinderKultur“, eine Einrichtung der kulturellen Bildung in Düsseldorf) erarbeiten Kinder ab 7 Jahre das Thema „OhrKopfFuss“ und modellieren menschliche Formen und Figuren aus Ton und Gips. Ich hatte das Glück, einige der entstandenen Arbeiten auf meinem Fototisch zu fotografieren und mich auf diese Weise erstmalig dem Thema „Portrait“ zu nähern.

 

Die Arbeiten der Kinder beschäftigen sich mit fiktiven Figuren und gestalten die Idee von einer menschlichen Gestalt. Sie beziehen sich jeweils auf die individuellen Erfahrungen, Erinnerungen und Vorbilder aus dem „echten“ Leben als Quelle ihrer Inspiration. So hat der eine Kopf etwas von einer Karikatur, der andere von einer antiken Statue. Der dritte Kopf erinnert klischeehaft an Halloween-Masken und der vierte gerät zur Wiedergabe eines Kino-Helden. Die Kinder modellieren weniger konkrete Personen, als vielmehr Stimmungslagen, Gefühle, Erinnerungen an abwesende Vorbilder. Sie zeigen Fratzen, fragile Gesichter, Deformationen, Brüchiges, Masken und Schmerzen. Sie portraitieren genau das, was sie fühlen und was Teil ihrer Wirklichkeit ist, in der sie aufwachsen. Sie machen den täglichen Eindruck zum individuellen Ausdruck.

 

Portraits zu fotografieren gehört nicht zu meinen bevorzugten Motiven oder gar Stärken. Ich scheue die Nähe, fürchte die Übergriffigkeit und lehne es ab, die fotografierte Person als Projektionsfläche für Zuschreibungen, Interpretationen oder übergestülpte Typisierungen zu benutzen. Ein Portrait, so meine Unterstellung, hat mehr mit dem Fotografen als mit der fotografierten Person zu tun. Das Bild zeigt, wie der Fotograf die Person sieht oder sehen möchte. Was zu beweisen wäre…

 

Anders ist es bei dieser sich bietenden Gelegenheit, die von Kindern modellierten Ideal-Köpfe aus Ton oder Gips zu fotografieren. Es sind Nahaufnahmen von Artefakten, die für keine konkrete Persönlichkeit, sondern bestenfalls für einen Typus, für eine Puppe, für eine idealisierte Figur stehen und ohne Leben und Seele sind. Die Inszenierung des Puppenkopfes im Licht und vor der Linse haucht dem Dargestellten Leben ein und hebt es in die Bedeutungshaftigkeit, als handele es sich um eine lebende Persönlichkeit, die durch das Foto offenbar wird. Gefühle, Stimmungen, Charaktere werden eindringlich sichtbar und gleichzeitig auch pathetisch überhöht. Von Dunkelheit umgeben und von Ablenkung getrennt konzentriert sich der betrachtende Blick auf die sparsam beleuchtete Figur und fühlt sich erinnert an die Vorbilder aus der Malerei des Barocks und der Renaissance. Im Augenblick eingefrorenes, sinnliches Leben, das für den Alltag steht und die Jenseitigkeit beschwört.

 

Die zweifache kreative Übersetzung, einerseits die von Kindern gestalteten Köpfe und andererseits die Inszenierung dieser Köpfe für die Kamera im Stil der Portraitmalerei und -Fotografie erzeugt eine Verdichtung und Intensität, in der Deformation, Schmerz, Zerrissenheit und Widersprüchlichkeit als vorrangig herrschende Gefühlslage unserer aller Existenz in Erscheinung tritt.